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26. März 2008

Gründung der Regionalgruppe Neubrandenburg

„Eine Brücke zu unseren osteuropäischen Nachbarn“

Treffpunkt für Mitglieder und Freunde des Internationalen Vereins zur Verbreitung der Geschichte Mitteleuropas & Freundeskreis Tallinn e.V. war am 26.03.2008 das Wiekhaus 45 in Neubrandenburg.

 

Dr. Silvio Pankratz (li.) und Georg Rahn

Teilnehmer aus Schwerin, Stralsund und Neubrandenburg tauschten ihre Erfahrungen zur Verbreitung der Geschichte Mitteleuropas – insbesondere der baltischen Länder einschließlich der russischen Exklave Kaliningrader Gebiet (ehemals Ostpreußen) – aus. Es gehörte schon eine ganze Menge Idealismus dazu, wie die Gründungsmitglieder dieses Geschichtsvereins – Günter Lehmann und Dr. Silvio Pankratz – 1997 diese Aufgabe angingen.

 

Für die Bürger des Kaliningrader Gebiets endete zu Sowjetzeiten die verordnete Geschichtsschreibung zu ihrem Territorium abrupt mit dem Auftauchen des Deutschen Ordens im Pruzzenland und begann ebenso unvermittelt mit dem Sieg der Roten Armee 1945. Die Jahrhunderte dazwischen wurden an Schulen, Universtäten, in Lehrbüchern und Nachschlagewerken schlicht ausgeblendet. Umso bemerkenswerter ist die Intensität, mit der Einwohner des Kaliningrader Gebiets seit 1991 die Geschichte ihrer Heimat und speziell Kaliningrads erforschen.

 

Günter Lehmann (li.) und Hans-Dieter Glatz

Trotz restriktiver Grenzkontrollen (ein übrigens noch sehr freundliches Wort für Ein- und Ausreise) erfolgte in den letzten Jahren eine Annäherung durch gegenseitige Besuche und Konferenzen, durch Gedanken- und Buchaustausch. Langsam wächst also Europa zusammen. Die Beschäftigung mit der Geschichte wird somit zu einem Schlüssel für gegenseitiges kulturelles Verständnis, für ein Verständnis, welches auch Vorurteile abbaut. Nichts ist bekanntlich so langlebig wie ein Vorurteil, nichts ist aber auch oftmals so unberechtigt.

Am 31.07.07 erschien im Nordkurier ein Artikel von Steffi Hamann. Unser Vereinsvorsitzender Dr. Silvio Pankratz regte darin die Gründung einer Regionalgruppe in Neubrandenburg an. Nicht ohne Erfolg, wie wir heute wissen. Mit Jörg Metelmann, Klaus-Dieter Tanger, Horst Teschner und Hans-Joachim Nehring gehören nun auch Mitglieder bzw. Freunde aus Neubrandenburg seit 2008 zum Verein.

Das eigentlich Interessante im Vereinsleben ist, dass ein Modellbauer von historischen Flugzeugen neben einem Germanisten sitzt, dass ein Maschinenbauingenieur und ein Ingenieur der Getränkeindustrie mit einem Verlagsinhaber sprechen. Ein Maschinenbauer für regenerative Energie aus den Altbundesländern hört sich die Meinung eines ehemaligen ostdeutschen Architekten und jetzigen Autors über Lew Tolstoi bzw. Dostojewski an.

So bunt wie die unterschiedlichen Berufe sind manchmal auch die Auffassungen. Unser eiserner Kanzler und Reichsgründer Otto von Bismarck – ein großer Deutscher aus echtem Schrot und Korn – meint der eine, der andere winkt entsetzt ab: Um Gottes Willen, das kann ich nun schon gar nicht mehr hören.

Ein Gemeinsames zeichnet aber alle Teilnehmer aus! Das große Interesse für Geschichte und für osteuropäische Geschichte im Besonderen.

Zweifellos mag gerade dieses Interesse auch daran liegen, dass einige Mitglieder und Freunde des Geschichtsvereins ihre elterlichen Wurzeln im osteuropäischen Raum haben. Ob nun ehemaliger Bürgermeister in Riga, Gärtnereiinhaber in Danzig oder Großbauer in Posen – niemand stellt heute irgendwelche nachträglichen Ansprüche. Die Zeit heilt doch so manche Wunden. Geblieben ist aber dennoch so etwas wie eine alte Liebe, wie eine verborgen schlummernde Sehnsucht nach einem Landstrich, welche aus den Erzählungen der Eltern nicht verloren gegangen ist.

 

Peter Lange (vo.) und Jörg Metelmann

Nicht mit der Faust oder mit deutscher Großmannssucht suchen wir die Verbindung zu unseren östlichen Nachbarn. Größe beginnt dort, wo die Anmaßung fehlt. Ein gemeinsames Verstehen setzt zuerst das „Verstehen-Wollen“ voraus. Eine Brücke dafür bildet die Kenntnis einer Geschichte, welche uns unleugbar mit unseren östlichen Nachbarn verbindet. So gilt es also Gemeinsamkeiten wieder zu entdecken, auch so manche schöne Traditionen neu entstehen zu lassen. Ich finde, dass erheblich mehr als ein Anfang gemacht wurde. Nun gilt es, das Erreichte zu pflegen und weiterzuführen – getreu nach dem Motto halt, dass hinter dem Berg auch noch Leute wohnen.

Der Geschichtsverein hält für Interessierte und Freunde jederzeit seine Eingangstür geöffnet. Mitbringen muss er nicht viel. Wenn in „seinem Handgepäck“ Toleranz, Humanismus und ein Herz für Geschichte vorhanden sind, ist er hier genau richtig. Das Angebot gilt übrigens für „Frau“ und „Mann“. Geschichte haben mehr Frauen geschrieben, als im Allgemeinen bekannt ist.

Hajo Nehring